Bucheinsicht ist vor dem Bezirksgericht geltend zu machen (OGH 24. 4. 2024)

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Der sales agent hat unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Einsicht in die Geschäftsbücher des Geschäftsherrn… 

 

Die Vorgeschichte

 

Der sales agent hatte für ein österreichisches Unternehmen insb. zu Beginn der Covid-Pandemie Geschäfte über Masken vermittelt. Der Umfang war durchaus erheblich. Im Nachhinein weigerte sich der business partner, eine Provision zu bezahlen. Der sales agent hatte zwar bestimmte Auftragsbestätigungen, aber keinen Gesamtüberblick über alle (Nach)Bestellungen. Der business partner hatte ohne Detailinformation einen sehr geringen Abschlagsbetrag geboten.

 

Provisionsabrechnung, Buchauszug und Bucheinsicht

 

Die Abfolge ist rein logisch klar und ergibt sich auch aus dem Gesetz. Zunächst einmal hat der sales agent einen zwingenden Anspruch auf eine aussagekräftige Provisionsabrechnung. Diese sehen in der Praxis durchaus unterschiedlich aus und reichen von der bloßen Angabe einer Pauschalsumme bis zu recht detaillierten Aufstellungen mit den Umsätzen pro Kunde.

 

Die Provisionsabrechnung überprüfbar zu machen, dient der Buchauszug. Dieser hat alle Angaben zu umfassen, die dazu erforderlich sind. Erhält der sales agent die Provision bereits anhand der Auftragswerte (ohne Rückverrechnung von Retouren, Gutschriften etc.), muss der Buchauszug eben nur die Auftragswerte umfassen. Zumeist wird aber vereinbart, dass die Provision anhand der Zahlungseingänge fällig ist bzw. berechnet wird. Dann sind aber alle Informationen sozusagen „auf dem Weg dorthin“ erforderlich und damit auch geschuldet. Es muss ein Gesamtüberblick über Aufträge, Lieferungen, Rechungen, Gutschriften, Retouren, Zahlungsrückstände, Betreibungsmaßnahmen etc. geliefert werden und das für jeden einzelnen Geschäftsfall.

 

Umfassen die vom business partner übermittelten Unterlagen nicht diese Informationen (was regelmäßig der Fall ist), kann der sales agent den Buchauszug einklagen. Das rechtskräftige Urteil wird dann durch Verhängung von Zwangsstrafen durch das Gericht exekutiert. Diese Strafen bewegen sich rasch im fünfstelligen Bereich und werden je nach Gericht im 2-4 Wochen-Takt kumulativ verhängt.

 

Wird der Buchauszug verweigert oder kann der sales agent darlegen, dass dieser unrichtig oder unvollständig ist, kann er aber auch Bucheinsicht verlangen. Hier stellte sich die Frage, wie dies geltend gemacht werden kann.

 

Konkrete Vorgangsweise

 

Für den Buchauszug ist anerkannt, dass dieser auch durch eine sogenannte „Stufenklage“ geltend gemacht werden kann. Das bedeutet, dass man – in der Regel vor dem Handels- bzw. Landesgericht – auf Buchauszug samt den daraus resultierenden Provisionsnachforderungen klagt. Es stellte sich nun die Frage, ob dies auch für die Bucheinsicht gilt. So hat es die vertriebsrechtliche Literatur gesehen und auch das Berufungsgericht im konkreten Fall.

 

Entscheidung des OGH

 

Der OGH hat dies anders gesehen. Er hat aus dem Gesetz abgeleitet, dass die Bucheinsicht vor dem Bezirksgericht geltend zu machen ist. Das bedeutet für die Praxis eine wichtige Klarstellung, damit durch die Einklagung vor dem richtigen Gericht Zeit und Kosten gespart wird. Wie die Bezirksgerichte dann mit der im Gesetz angeführten „Vorlage der Handelsbücher“ umgehen, wird man sehen. Falls sich der Unternehmer weigert, werden wohl auch hier „nur“ Zwangsstrafen verhängt werden können. Die meisten business partner sind – wenn sie es sind – gut beraten, es gar nicht so weit kommen zu lassen.

 

Weitere Entwicklung des Falls

 

Wir hatten – parallel zur Betreibung durch Zwangsstrafen – zwei Klagen auf Zahlung erhoben. Im Rahmen des „Buchauszugs“ wurden immerhin die Auftrags- und Lieferwerte genannt. Wir konnten daher soweit einen Mindestbetrag an Provision ableiten (die Bucheinsicht wurde daher nicht weiterverfolgt). Dem business partner ging es vor allem darum, Storni bei ohnehin erfolgter Nachlieferung nicht doppelt bezahlen zu müssen (gezahlt hat er allerdings insgesamt nicht). Die Nachlieferungen haben wir berücksichtigt, indem wir die vollen Auftragswerte nur einmal angesetzt haben. Die Gründe für Storni und Gutschriften hingegen lagen im Bereich des business partner und dies hat sich daher nicht provisionsverkürzend ausgewirkt.

 

Im ersten Verfahren haben wir nur die Provision für Geschäfte mit einem bestimmten Kunden geltend gemacht. Dieses wurde durch Bezahlung eines namhaften Betrags verglichen. Im zweiten Verfahren über den gesamten Restbetrag ließ es der business partner auf eine Entscheidung ankommen. Er hat in erster Instanz weitestgehend verloren (nämlich einen noch namhafteren Betrag). Eine Berufung ist anhängig; wir werden weiter berichten.

 

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

  

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

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