Steht einer GmbH ein Ausgleich zu, wenn sie wegen Krankheit des GF-Gesellschafters kündigt? (HG Wien 16. 11. 2023)

| Vertriebsrecht

Wenn der sales agent eine Gesellschaft ist, stellt sich das Problem, dass sie selbst – als Gesellschaft – nicht krank sein kann. Insofern würde bei Eigenkündigung der Ausgleich entfallen. Oder doch nicht?… 

 

Sales agent ist nicht gleich sales agent

 

In der Praxis sind die meisten Handelsagenten als Einzelunternehmer tätig, bisweilen aber eben auch in Form einer Personen- oder Kapitalgesellschaft. Bei letzteren stellt sich die Frage, ob sie im Sinne des Gesetzes „krank“ werden können und deshalb kündigen können und den Ausgleichsanspruch behalten (dasselbe gilt übrigens bei einer Kündigung „aus Altersgründen“).

 

Was sagt das Handelsvertreterrecht?

 

Ausdrücklich sagt das Gesetz dazu nichts. Es stellt eben nur darauf ab, ob der sales agent wegen Krankheit (oder aus Altersgründen) gekündigt hat. Krank werden (oder das Regelpensionsalter erreichen) kann aber nur eine natürliche Person.

 

Entscheidung des Gerichts

 

Das Handelsgericht Wien hatte einen Fall zu einer Ein-Mann-GmbH zu entscheiden. Der Allein-Geschäftsführer (der eben auch Allein-Gesellschafter war) litt unter von einem Gerichtsgutachter festgestellten Depressionen, die ihm eine weitere Tätigkeit unzumutbar machten. Die GmbH hatte den Vertrag deswegen fristlos aufgelöst.

 

Das Gericht hat den Ausgleich (dennoch) zuerkannt. Zusätzliche Voraussetzungen hat das Gericht nicht verlangt; es hat ersichtlich die Krankheit des maßgeblichen Gesellschafter-Geschäftsführers sozusagen auf die GmbH übertragen bzw. dieser zugerechnet.

 

Weitere Aspekte

 

Das Gericht folgt damit im Ergebnis der Linie der deutschen Ansicht, die darauf abstellt, ob die Gesellschaft mit der betreffenden Person, die krank wird, „steht und fällt“. Das war ja hier offensichtlich der Fall. Das ist aber in Deutschland nicht unumstritten und wird überwiegend nur für Personengesellschaften vertreten. Teilweise wird zum deutschen Recht darauf abgestellt, ob die betreffende Person zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet war. Auch dadurch soll der „persönliche Konnex“ zur betroffenen Person beurteilt werden können.

 

Praktische Auswirkungen

 

Die Entscheidung ist sicherlich sehr interessant, weil die gegenständliche Konstellation, soweit ersichtlich, erstmals entschieden wurde. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ist es schade, dass der Fall nicht an das OLG und später den OGH ging; es blieb beim Verfahren erster Instanz. Ob auch die höheren Instanzen genauso zu Gunsten des sales agent entscheiden werden, bleibt also abzuwarten. Dennoch handelt es sich um eine erfreuliche Tendenz.

 

 

Ihr Ansprechpartner: RA Dr. Gustav Breiter

 

 

Siehe auch die bisherigen Beiträge unter:

https://www.wko.at/branchen/handel/handelsagenten/newsletter-contact-plus.html